Mit dem Jahressteuergesetz 2020 und dessen Verkündung am 28.12.2020 wurde die zweite Stufe des sog. Mehrwertsteuer-Digitalpakets umgesetzt. Da die Änderungen zum 01.07.2021 eintreten, möchten wir Sie über die Neuerungen informieren.
1) Änderungen im elektronischen Handel
Ab 01.07.2021 treten weitreichende Maßnahmen in Kraft, die den Weg für einen reibungslosen Übergang zu den neuen Mehrwertsteuervorschriften für den elektronischen Handel ebnen sollen.
Das bisherige besondere Besteuerungsverfahren für im Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer, die sonstige Leistungen erbringen (sog. Mini-One-Stop-Shop – MOSS-Verfahren) wird auf das OSS-Verfahren (sog. One-Stop-Shop) mit Meldung der Umsätze in Deutschland an das BZSt (Bundeszentralamt für Steuern) ausgedehnt.
Ab 01.07.2021 wird der One-Stop-Shop geöffnet für
- alle Dienstleistungen an Nichtunternehmer innerhalb der EU durch Unternehmer aus Drittstaaten („Nicht-EU-Regelung“),
- alle Dienstleistungen an Nichtunternehmer innerhalb der EU durch Steuerpflichtige (Unternehmer) aus einem anderen EU-Mitgliedstaat („EU-Regelung“),
- alle innergemeinschaftlichen / EU-Fernverkäufe an Nichtunternehmer durch EU-Unternehmer oder Drittlandsunternehmer („EU-Regelung“) – Näheres dazu siehe unter 2.,
- Lieferungen von Gegenständen an Nichtunternehmer innerhalb eines Mitgliedstaats, die über eine elektronische Schnittstelle erfolgen („EU-Regelung“) -Näheres dazu siehe unter 3.
2) Europaweiter Versandhandel – sog. innergemeinschaftliche Fernverkäufe
Am 01.07.2021 ist es so weit: Es werden sog. Fernverkäufe im B2C-Bereich, also Lieferungen von Gegenständen an Nichtunternehmer (Privatpersonen) innerhalb der EU, im Ansässigkeitsstaat des Empfängers steuerbar sein. Die derzeitige sog. Versandhandelsregelung wird durch die Fernverkaufsregelung abgelöst. Damit einhergehend fallen diebislang geltenden länderspezifischen Lieferschwellen weg.
Dies dürfte dazu führen, dass mehr Unternehmer als bislang im Ausland Umsätze versteuern müssen. Um dies zu erleichtern, können Unternehmer das neue besondere Besteuerungsverfahren, den sog. One-Stop-Shop (OSS), nutzen
2.1. Geringfügigkeitsschwelle statt nationaler Lieferschwellen
An die Stelle der nationalen Lieferschwellen tritt eine europaweit einheitliche Geringfügigkeitsschwelle von 10.000 Euro netto pro Kalenderjahr.
Bei Fernverkäufen im B2C-Bereich gilt künftig: Der Ort der Lieferung befindet sich dort, wo sich der Gegenstand bei Transportende befindet. Voraussetzung ist, der liefernde Unternehmer hat die EU-einheitliche Geringfügigkeitsschwelle von 10.000 Euro überschritten oder er hat auf deren Anwendung verzichtet.
Der einheitliche Schwellenwert gilt ab dem 01.07.2021 für innergemeinschaftliche Fernverkäufe (§ 3c UStG) und digitale Dienstleistungen (z.B. Streaming oder E-Books) (§ 3aAbs. 5 UStG).
Für 2021 ist keine zeitanteilige Aufteilung der Umsatzschwelle vorzunehmen, ebenfalls erfolgt keine Aufteilung der “alten” Lieferschwellen im Sinne der Versandhandelsregelung.
2.2. Teilnahme am OSS-Verfahren
Die Teilnahme an dem OSS-Verfahren ist nicht verpflichtend, sondern es besteht ein Wahlrecht. Der Unternehmer kann die in einem Mitgliedstaat der EU (oder ggf. in mehreren Mitgliedstaaten) geschuldete Umsatzsteuer zentral (in nur einem Mitgliedstaat) anmelden und entrichten. Dadurch kann eine Registrierung zu Umsatzsteuerzwecken in
mehreren Mitgliedstaaten vermieden werden.
Es bleibt aber die Frage: „Welcher Steuersatz für welches Produkt in welchem EU-Staat?“. *1
Die Teilnahme am besonderen Besteuerungsverfahren kann seit dem 01.04.2021 mit Wirkung zum 01.07.2021 elektronisch über das BZStOnline-Portal (BOP) beantragt werden. Unternehmer, die bereits den sog. Mini-One-Stop-Shop nutzen, müssen sich nicht erneut registrieren.
Bei der Teilnahme am OSS-Verfahren gelten folgende Besonderheiten:
- Wer seine grenzüberschreitenden B2C-Lieferungen über OSS meldet, muss keine Rechnungen mehr für diese Lieferungen ausstellen (§ 14a Abs. 2 UStG).
- Der Meldezeitraum ist immer das Quartal.
- Die Abgabe der Erklärung muss bis zum 30. des folgenden Monats erfolgen.
- Die Zahlungsfrist beträgt 30 Tage nach Ablauf des Meldezeitraums.
- Die Umsatzsteuer wird ebenfalls an nur eine Stelle überwiesen: Das BZSt bzw. auf ein Konto bei der Bundeskasse.
- Korrekturen falscher OSS-Erklärungen erfolgen immer in der laufenden OSS-Erklärung
2.3. Besonderheit: Kleinunternehmer
Besonders aufpassen sollten Online-Händler, die umsatzsteuerlich als Kleinunternehmer gelten. Überschreiten sie die neue EU-weite einheitliche Lieferschwelle in Höhe von 10.000 Euro, können sie Meldepflichten im Ausland treffen. Sie sollten daher bereits jetzt prüfen, ob eine Teilnahme am OSS-Verfahren in Frage kommt.
2.4. Besonderheit: Fullfillmentsysteme
Die Nutzung des OSS-Verfahrens ist nur für bestimmte Transaktionsarten möglich. Händler, die z.B. am Pan EU Programm von Amazon teilnehmen oder andere grenzüberschreitende Fulfillmentsysteme nutzen, werden zusätzliche Lösungen benötigen. Die damit verbundenen umsatzsteuerlich relevanten Transaktionen – innergemeinschaftliche Verbringungen bzw. Erwerbe, lokale Lieferungen und Eingangsleistungen (Vorsteuer) im Land des jeweiligen Fulfillment-Centers – lassen sich nicht über den OSS melden und müssen weiterhin über lokale Registrierungen in den einzelnen Mitgliedstaaten gemeldet werden.
3) Versandhandel über elektronische Schnittstellen
Werden Lieferungen von Unternehmern an Nichtsteuerpflichtige durch die Nutzung einer sog. elektronischen Schnittstelle, beispielsweise eines Marktplatzes, einer Online-/Internet-Plattform oder eines Portals unterstützt, werden die Betreiber dieser Schnittstellen unter gewissen Voraussetzungen in die Liefer-/Umsatzkette fiktiv umsatzsteuerlich mit einbezogen. Sie werden selbst Lieferer und Verkäufer innerhalb einer Reihe.
Dies gilt für Lieferungen von Ware mit Drittlandsbezug, hier zum einen für Lieferungen mit einem Wert von bis zu 150 Euro, die aus dem Drittland in die EU gelangen, zum anderen für Lieferungen innerhalb der EU, die von einem im Drittland ansässigen Unternehmer (Lieferant) verkauft werden.
4) Import-One-Stop-Shop (IOSS) („Einfuhrregelung“)
Die 22 Euro-Freigrenze bei der EUSt wird ab 01.07.2021 abgeschafft.
Für Fernverkäufe an Nichtunternehmer von Gegenständen in Sendungen mit einem Sachwert bis 150 EUR aus dem Drittlandsgebiet in die EU wird ein neuer Import-OneStop-Shop (IOSS) eingeführt.
Werden Drittlandsfernverkäufe von nicht verbrauchsteuerpflichtigen Waren mit einem Sachwert von höchstens 150 Euro im OSS-Verfahren durch einen Drittländer oder dessen „Vertreter“ (z.B. seinen Post- und Kurierdienstleister) angemeldet, soll die Einfuhr der entsprechenden Waren bei Erfüllung bestimmter Angaben (insbesondere der
Angabe der OSS-UStIDNr. des Lieferanten) steuerfrei sein.
Die Betragsgrenze von 150 Euro bei Fernverkäufen aus Drittländern ergibt sich aus dem entsprechenden Schwellenwert für Zollanmeldungen, so dass grundsätzlich für alle Warenverkäufe von mehr als 150 Euro der Drittlandsunternehmer eine Zollanmeldung abgeben muss und die Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer gewährleistet ist.
*1 (https://ec.europa.eu/taxation_customs/business/vat_de?)
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Mit freundlichen Grüßen
Ihre Dicks-Domin & Kollegen
Steuerberatungsgesellschaft mbH